Unter Wasser

Sauerstoffloch und Fischsterben: Fragen und Fakten

Jedes Jahr im Sommer sinken die Sauerstoffgehalte in vielen Bereichen der Hamburger Tideelbe für einige Zeit unter einen Wert, der für die Fische kritisch ist. Fischsterben kann die Folge sein. Warum ist das so? Was können wir tun? Wir geben Antworten.

Was genau ist eigentlich das Sauerstoffloch?

Anzahl der Tage mit niedrigen Sauerstoffkonzentrationen in der Elbe bei Hamburg-Seemannshöft (Bergemann, Michael; Daten ARGE Elbe, FGG Elbe)

Sauerstoff ist im Wasser gelöst. Er dient vielen Organismen, insbesondere Fischen, zum Atmen. Sinkt der Sauerstoffgehalt unter vier Milligramm pro Liter wird es für die Fische kritisch und man spricht von einem Sauerstoffloch oder auch Sauerstofftal. Bei Gehalten unter drei Milligramm pro Liter ist für die meisten Fische eine tödliche Grenze erreicht. In der Tideelbe tritt dieses Phänomen meist oberhalb von Stade auf, bis in den Hamburger Hafen oder darüber hinaus. Vom Sauerstoffmangel betroffen sind vor allem der tiefe Hauptstrom und tiefe Hafenbecken, während die Sauerstoffgehalte in flachen Seitenbereichen und Nebenelben höher bleiben. Wie stark die Sauerstoffgehalte absinken, wie weit sich das Sauerstofftal erstreckt und wie lange es andauert, schwankt von Jahr zu Jahr.

Wie entsteht ein Sauerstoffloch?

Wieviel Sauerstoff im Wasser gelöst ist, ist das Ergebnis von Sauerstoffeintrag und Sauerstoffverbrauch. Der Sauerstoffeintrag erfolgt zum einen physikalisch aus der Luft über die Wasseroberfläche und zum anderen biologisch über Photosynthese, also der Umwandlung von Kohlendioxid und Wasser zu Biomasse und Sauerstoff mit Hilfe von Sonnenlicht durch Algen, auch Phytoplankton genannt. Ein Sauerstoffverbrauch erfolgt über die Atmung von Tieren und Pflanzen, sowie bei der mikrobiellen Zersetzung toter organischer Substanz (z.B. Pflanzenreste). Zu einem Sauerstoffmangelkommt es immer dann, wenn der Sauerstoffverbrauch den Sauerstoffeintrag für längere Zeit überwiegt.

Gibt es Sauerstofflöcher schon immer in der Tideelbe? Haben sie zugenommen?

Tatsächlich treten Sauerstofftäler in der Tideelbe schon seit vielen Jahrzehnten auf. In früheren Jahren, bis etwa 1990 waren Sauerstofftäler mit fischkritischen Sauerstoffgehalten und massenhaftem Fischsterben sogar deutlich ausgeprägter als heute, was unter anderem auch auf die Einleitung industrieller sauerstoffzehrender Abwässer in der DDR und Tschechoslowakei zurückzuführen war. Nach 1990 schwankt die Zahl der Tage mit geringen Sauerstoffgehalten von Jahr zu Jahr stark, doch insgesamt hat sich die Situation gegenüber früher deutlich verbessert.

Was verursacht konkret das Sauerstofftal in der Elbe bei Hamburg?

Die Entstehung des sommerlichen Sauerstofftals hat mehrere Ursachen:

1. Algenblüte in der Mittelelbe

In der Mittleren Elbe gelangen zu viele Nährstoffe aus landwirtschaftlichen Nutzflächen ins Wasser. Folge dieser Überdüngung ist eine unnatürliche Massenentwicklung der Algen, eine sogenannte Algenblüte. Da die Mittelelbe sehr flach ist, kann das Licht einen größeren Teil des Wassers durchdringen. Die intensive Photosynthese der Algen sowie der Sauerstoffeintrag aus der Luft führen dort dann zunächst zu hohen Sauerstoffgehalten im Wasser.

2. Einfluss der Tideelbe:

Doch die Verhältnisse ändern sich grundlegend, wenn das algen- und sauerstoffreiche Wasser der Mittleren Elbe über das Wehr Geesthacht in den tidebeeinflussten und tieferen Bereich der Elbe mit ihrer hohen Trübung fließt. Denn in den tieferen Wasserschichten (schon ab etwa einem Meter) herrscht hier Lichtmangel, der zu einem massenhaften Absterben der Algen führt. Durch die mikrobiellen Zersetzungsprozesse der toten Algen wird viel Sauerstoff verbraucht. Zudem werden die abgestorbenen Algen nur langsam elbabwärts transportiert, weil der Flutstrom sie immer wieder ein Stück in Richtung Hamburg zurücktreibt.

Mit der zunehmenden Wassertiefe sinkt zudem das Verhältnis von Wasseroberfläche zu Wasservolumen, die sogenannte spezifische Wasseroberfläche, und damit der Sauerstoffeintrag aus der Luft.

3. Temperatur und Oberwasserabfluss:

Sauerstoff ist in wärmerem Wasser sehr viel schlechter löslich als in kaltem Wasser. Zudem sind die mikrobiologischen Abbauprozesse der toten Algen stark temperaturabhängig. Je höher die Temperatur, desto intensiver ist der biologische Abbau und damit die Sauerstoffzehrung.

Bei geringen Abflüssen aus der Mittelelbe in Richtung Hamburg fließt auch weniger sauerstoffreiches Wasser in die Tideelbe. Zudem ist die Verweildauer des Wassers im Bereich des Hafens höher als bei starken Abflüssen. Gleichzeitig verschiebt sich die natürliche Trübungszone, die normalerweise zwischen Brunsbüttel und Stade liegt, stromauf nach Hamburg. Dadurch nimmt die Trübung in Hamburg zu, die lichtdurchflutete obere Wasserschicht nimmt ab und damit auch die Sauerstoffproduktion der Algen.

Wird der Sauerstoffmangel durch Elbvertiefung und Baggerei verstärkt?

Da die (über die Jahrhunderte vom Menschen geschaffenen) größeren Wassertiefen der Tideelbe eine wichtige Rolle bei der Entstehung des Sauerstofftals spielt, liegt die Vermutung nahe, dass auch die jüngst abgeschlossene Fahrrinnenanpassung zu einer zusätzlichen Verschlechterung der Sauerstoffsituation geführt hat. Die Umweltverträglichkeitsuntersuchung hat jedoch ergeben, dass die zusätzliche Wirkung der Fahrrinnenvertiefung zu gering ist, um den Sauerstoffgehalt messbar zu reduzieren. Schon nach der vorherigen Fahrrinnenanpassung war kein Einfluss auf die Zahl der Tage mit Sauerstoffmangel erkennbar.

Beeinträchtigungen durch die kontinuierliche Wassertiefeninstandhaltung, also durch die Unterhaltungsbaggerungen, könnten dadurch hervorgerufen werden, dass es durch die Baggeraktivitäten und durch die Umlagerung des Baggergutes zu einer Trübungszunahme und damit einer Verminderung der Sauerstoffproduktion kommt. Daher hat die HPA vorsorglich Vorkehrungen getroffen, die derartige Beeinträchtigungen so weit wie möglich ausschließen. So sind Laderaumsaugbagger technisch so optimiert, dass ihr Einsatz nur sehr lokal zu einer geringen Aufwirbelung von Sediment führt. Schlickpflüge und Wasserinjektionsgeräte werden nur eingesetzt, wenn der Sauerstoffgehalt über 4 mg/l liegt. Eine Umlagerung von Baggergut im Bereich der Hamburger Tideelbe ist zudem auf die sauerstoffreichen Wintermonate (November bis März) beschränkt.

Gibt es geeignete Gegenmaßnahmen?

Das von der HPA jetzt fertiggestellte Flachwassergebiet Kreetsand unterstützt eine bessere Sauerstoffproduktion in der Elbe und ist Rückzugsgebiet für Fische.

Ein derzeit geforderter „Rückbau“ der Fahrrinnenanpassung auf geringere Wassertiefen würde an der geschilderten Problematik des sommerlichen Sauerstofftals jedenfalls nichts ändern. Um das Problem „an der Wurzel zu packen“, müsste hingegen die unnatürliche massenhaften Algenvermehrung in Ober- und Mittelelbe durch eine großflächige Änderung des landwirtschaftlichen Düngemitteleinsatzes deutlich reduziert werden.

In der Tideelbe ist jedoch der Erhalt und die Schaffung von Flachwasserbereichen sinnvoll. Derartige Flachwasserbereiche, die auch bei Niedrigwasser immer noch eine Wassertiefe von etwa 2 m aufweisen, tragen zum einen aufgrund ihrer geringen Wassertiefe zur Steigerung des biogenen und physikalischen Sauerstoffeintrags bei. Zum anderen sind sie gerade in Zeiten niedriger und damit fischkritischer Sauerstoffgehalte für viele Fischarten wertvolle Rückzugsräume. Mit dem von der HPA kürzlich fertiggestellten Flachwassergebiet Kreetsand haben wir jetzt eine erste solche Maßnahme erfolgreich umgesetzt. Die HPA ist derzeit gemeinsam mit der BUKEA auf der Suche nach weiteren geeigneten Standorten - auch nach Gebieten in denen durch die Entfernung verschlickter Bereiche wieder mehr Flachwasser entstehen könnte.