Unter Wasser

Mit dem Baggerschiff zur Tonne E3

Normalerweise legt der Bagger KAISHUU nicht an. 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche ist der große Hopperbagger in Bewegung, um überschüssige Sedimente aus dem Hamburger Hafen dauerhaft zu entfernen. Wir haben ihn einen Tag mit unserem Filmteam begleitet.

Der Laderaumsaugbagger KAISHUU beim Anlegen am Mönckebergkai. Weil er noch leer ist, ragt er hoch aus dem Wasser.
Mit dem Ladekorb werden jeweils zwei von uns sicher an Bord gehievt.

Pünktlich um 6:30 Uhr biegt der Bagger KAISHUU vom Vorhafen in den Ellerholzhafen und geht am Mönckebergkai längsseits. Mit einem Förderkorb werden wir an Bord gehievt und schon geht es wieder los. Kaum bleibt Zeit für die Sicherheitseinweisung, dann sind wir auch schon im Köhlbrand, unserem Baggergebiet heute. Dort sehen wir zu, wie die zwei gigantischen Saugrohre außenbords abgesenkt werden. In 15 Metern Tiefe sollen die beiden gut fünf Meter breiten Saugköpfe frisch abgelagerten Schlick entfernen, damit auch die großen Schiffe wieder ungehindert unseren Hafen und ihre Liegeplätze anlaufen können.

Eine der zwei Hauptpumpen mit einem Durchmesser von über 3 Metern.
Der Laderaum füllt sich schnell mit einem dickflüssigen Gemisch aus Schlick und Wasser.
Auf der Brücke wird der Baggervorgang vom präzise gesteuert.
Blick über den Laderaum auf das Containerterminal Altenwerder und das Massengutterminal Hansaport.

Die Pumpen gehen an, zweimal 6.000 PS mit einer Saugleistung von rund vier Kubikmetern pro Sekunde, und ein Gemisch aus Schlick und Wasser ergießt sich tosend in den 16.500 Kubikmeter großen Laderaum. Das entspricht rund 650 LKW-Ladungen, eine Fahrzeugkette von über 8 Kilometern. Exakt 71 Minuten dauert der Beladevorgang, 8.756 Tonnen Elbsedimente sind dann an Bord. Die elektronische Hopperüberwachung zeichnet alle Daten auf und übermittelt sie in Echtzeit an unsere Kolleg*innen der HPA. Als sich die Saugköpfe wieder heben, verlassen wir bereits den Köhlbrand mit Kurs auf die wohl bekannteste Verbringstelle in der Nordsee.

Schon in Hamburg werden die Sedimente genau untersucht. Ein Filmteam hat uns dabei begleitet.
Rund um die Tonne E3 in der Nordsee wird jährlich an über 150 Punkten geprüft, wie sich die Schlickverbringung auswirkt.

Die Verbringstelle Tonne E3 ist nicht nur die bekannteste, sie ist auch die mit Abstand am besten untersuchte. Weltweit. Ein ganzes Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nimmt jedes Jahr viele hundert Proben rund um die Tonne E3 und an den Küsten. Sie stellen sicher, dass keine nachteiligen Auswirkungen auf das Ökosystem entstehen. Auch die Sedimente in Hamburg werden untersucht. Nur wenn sie sauber genug sind, dürfen sie gebaggert und in die Nordsee gebracht werden.

Eine der beiden Hauptmaschinen der KAISHUU. Sie werden auch mit klimaneutralem Biokraftstoff betrieben.
Werkzeug und Ersatzteile an Bord ersparen oft Reparaturen in einer Werft.

Die Fahrt bis zum Verbringfeld West bei der Tonne E3 dauert sieben Stunden und vier Minuten. Viel Zeit für die Mannschaft Wartungsarbeiten durchzuführen und für uns, das Spezialschiff kennenzulernen. 157 Meter lang, 23 Meter breit, 11 Meter Tiefgang voll beladen so wie jetzt, fährt die KAISHUU unter Luxemburger Flagge für die Firma Jan de Nul. Zwei Maschinen mit einer Leistung von zusammen 33.000 PS, die bei Bedarf vier um 360° schwenkbare Schiffsschrauben antreiben, so dass sich das Schiff auf der Stelle drehen lässt. Eine gute Manövrierbarkeit ist entscheidend in engen Hafenbecken. Auch die beiden riesigen Hauptpumpen werden von ihnen angetrieben. In den Eingeweiden des Rumpfes und auch an Deck lagern massenhaft Ersatzteile und Werkzeug, denn jeder Stopp in einer Werft bedeutet Stillstand und damit Verlust.

In der Kombüse wird immer frisch gekocht.
Auch einen Fitnessraum gibt es für die Mannschaft.

36 Mann Besatzung teilen sich alle anfallenden Arbeiten in zwei Schichten. Bis auf Koch und Kapitän sind alle Positionen doppelt besetzt. Sechs Wochen verbringt die Besatzung durchgängig an Bord, dann wird sie ausgetauscht. „Das Schiff ist mein zweites Zuhause“ sagt Rowen, der zweite Offizier aus den Niederlanden. Gut, dass nicht nur das Essen an Bord hervorragend ist, sondern auch sonst für das Wohl der Besatzung gesorgt wird. Es gibt einen Fernseh-, Spiel- und Fitnessraum, sogar eine Bar und jeder hat seine eigene Kabine mit Seeblick. Überhaupt sind die Stimmung und das Gemeinschaftsgefühl an Bord auffallend gut; der erfahrene Kapitän John hat daran sicher einen großen Anteil.

Ein Baggerschiff im Einsatz für die Bundeswasserstraßenverwaltung auf Höhe Wedel.
Schlick raus, Container rein.

Während der Fahrt beobachten wir die langsame Veränderung der Landschaft und die Vielzahl der unterschiedlichen Schiffe, die uns begegnen. Darunter auch zwei andere Hopperbagger, im Einsatz für die Bundeswasserstraßenverwaltung. Das gasbetriebene Baggerschiff VOX ARIANE und den Bagger MEUSE RIVER, denn auch zwischen Hamburg und Elbmündung müssen ständig überschüssige Sedimente entfernt werden, damit Deutschlands wichtigste Wasserstraße immer schiffbar bleibt. 

Endlich sind wir an der Tonne E3. In der Ferne ist Helgoland sehen.

Am frühen Nachmittag verlangsamt sich die Fahrt, wir nähern uns unserem Ziel. Die tatsächliche Tonne E3, das Seezeichen, ist nur mit dem Fernglas zu erkennen. Rund 15 Kilometer voraus liegt Helgoland, das Festland hinter uns nur ein Streifen am Horizont. Das Baggerschiff welches im Hafen noch wie ein Riese gewirkt hat, scheint hier nur eine Nussschale zu sein.

Als sich die Bodenklappen öffnen, dauert es nur wenige Minuten bis der Laderaum wieder leer ist. Auch der Entladevorgang wird genau überwacht und dokumentiert.

Dann öffnen sich die Bodenklappen und unsere wertvolle Ladung ergießt sich auf das Verbringfeld in über 25 Metern Tiefe, während sich das Schiff gut fünf Meter aus dem Wasser hebt. Der Laderaum und die Düsen und Leitungen werden mit Meerwasser gespült damit nichts verstopft und schon geht es zurück Richtung Hamburg, gut acht Stunden Fahrt liegen vor uns.

Vorbei an der Insel Neuwerk.
Einer von mehreren Lotsenwechseln während der langen Fahrt.

Auf der Rückfahrt wird spürbar, wie lang die Fahrstrecke wirklich ist. Die Mannschaft der Tagesschicht zieht sich zurück, die Nachtschicht übernimmt, es wird noch ruhiger auf der Brücke und auch an Deck, denn die meisten Wartungsarbeiten werden bei Tag durchgeführt. Nach einem spektakulären Sonnenuntergang auf Höhe Brunsbüttel wird es dunkel.

Sonnenuntergang (ja, so bunt war es wirklich).
Zurück in Hamburg passieren wir noch einen Containerriesen in der Nacht.

Kurz nach Mitternacht erreichen wir wieder den Mönckebergkai und verlassen das Schiff, beladen mit Bildern und Eindrücken von einer Arbeitswelt, ohne die der Hamburger Hafen, wie die meisten Häfen weltweit, nicht existieren könnte, ohne die der Handel und unser Wohlstand so nicht möglich wären. Am Ende des Jahres wird der Bagger KAISHUU zeitweise mit Unterstützung durch einen zweiten kleineren Bagger bis zu zwei Millionen Tonnen überschüssige Sedimente aus Hamburg in die Nordsee verbracht haben. Rund 260-mal wird er die Reise zur Tonne E3 gemacht haben. Vielleicht ist es eines Tages möglich, nicht mehr ganz so weit zu fahren, und weniger. Aber das ist eine andere Geschichte.

Den Film dazu gibt es jetzt auf unserem Wir-Machen-Hafen YouTube-Kanal!